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Aus der Praxis

Jugendprojekte, Schulentwicklung, Kulturvernetzung: Wirkungen einer Bildungslandschaft im ländlichen Raum

Landkreis Vorpommern-Greifswald/Mecklenburg-Vorpommern

24.07.20

Was sind die Herausforderungen, wenn eine Bildungslandschaft dort entstehen soll, wo es viel Landschaft im wörtlichen Sinne gibt? Wo nur etwas über 200.000 Menschen in 140 Gemeinden in einem weitgehend ländlichen Gebiet leben? Der Landkreis Vorpommern-Greifwald ist es angegangen.

Graffiti Workshop im Landkreis Vorpommern-Greifswald

Sich über weite Strecken kennenlernen

Vorpommern-Greifwald ist einer der flächenmäßig größten Landkreise in Deutschland. Erst seit der Kreisgebietsreform 2011 gehören die Stadt Greifswald, die ehemaligen Landkreise Ostvorpommern, Uecker-Randow sowie Teile des Landkreises Demmin zusammen. „Diese Größe führt dazu, dass die Bildungsakteure sich kaum kennen“, sagt Karin Peter, Sachgebietsleiterin für Bildung und Schulentwicklungsplanung im Landkreis. Ihr Sachgebiet ist Teil des Amtes für Kultur, Bildung und Schulverwaltung und ihre Stelle direkt in der Kommunalverfassung und Verwaltung verankert. Daran wird sichtbar: „Kulturarbeit und Schulentwicklung wird als gemeinsame und landkreisweite Aufgabe verstanden“, so Karin Peter. Das war nicht immer so. Die Strukturen mussten nachziehen, als sich die Region am Bundesprogramm „Lernen vor Ort“ beteiligte. Es entstand ein Bildungsentwicklungsplan, der die großen Ziele der Region in Sachen Bildung beinhaltet. Darin kommt nicht nur Schule vor: Kooperationen, Kulturvernetzung und außerschulische Programme sind wichtige Schwerpunkte. Nicht zuletzt, weil das dafür notwendige Kennenlernen der Akteure und der regelmäßige Austausch in der Weitläufigkeit des Landkreises wichtige, wenn auch knifflige Angelegenheiten sind.

Kulturarbeit und Schulentwicklung wird als gemeinsame und landkreisweite Aufgabe verstanden.

Karin Peter

Profitiert hat der Landkreis in dieser Frage schon jetzt durch die Beteiligung am Projekt „K² – Kulturnetzwerke in Kommunen und Regionen“ der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel. Nachhaltige Kulturnetzwerke werden mit den Kommunen und Landkreisen entwickelt. „Dabei geht es zunächst darum, einen Überblick darüber zu bekommen, was es für Angebote in der Kultur und der Kulturellen Bildung im Landkreis gibt. Und was die einzelnen Akteure vor Ort für ihre Arbeit brauchen“, meint Tino Höfert, jugendpolitischer Koordinator der beiden Jugendringe im Landkreis. Er ist Teil der Projektgruppe und nimmt an regelmäßigen Workshops teil. Hier kommen Vertreter*innen aus Kunstschulen und Jugendeinrichtungen sowie der Kreisverwaltung mit Schul- und Jugendsozialarbeiter*innen, freischaffenden Künstler*innen und anderen Akteuren zusammen. Da nicht ausschließlich die Größe des Landkreises für das „Nicht-Kennen“ verantwortlich ist, sondern auch der fehlende Austausch über die jeweiligen Programme und Konzepte, steht dieser im Fokus. Es wird gemeinsam über die derzeitige Bildungssituation, die jeweilige Jugend- und Kulturarbeit und langfristige Zusammenarbeit nachgedacht.

Zum Beispiel über ein gemeinsames Jugendfilmfestival. „Wir wollen eine Vernetzung“, sagt Karin Peter. „Das schaffen wir aber nicht, indem wir uns einfach treffen. Dafür braucht es Inhalte.“ Video- und Filmprojekte sind kulturelle Angebote, die in erster Linie attraktiv für die Heranwachsenden im gesamten Landkreis sind. Um das zu realisieren, braucht es eine spartenübergreifendende Zusammenarbeit von Bildungsakteuren. Die Vernetzung wird also von den Interessen der Kinder und Jugendlichen her gedacht. Oder auch von gemeinsamen thematischen Interessen. „Aktiv werden“, nennt es Tino Höfert, „einen Marktplatz schaffen“, sagt Karin Peter, wenn sie vom Fachtag Kultur redet – ein Format, in dem sich Bildungsakteure kennenlernen, austauschen und vernetzen können. Die Inhalte hierfür kommen über Vorträge, beispielweise über die Entwicklungen der Kulturarbeit während und seit der Zeit der DDR.

Mobilität für mehr Teilhabegerechtigkeit

Nicht nur Bildungsakteure kennen sich gegenseitig häufig nicht, auch die Verbesserung von Bildungs- und Teilhabechancen für Kinder und Jugendliche ist erschwert. Auf dem Land ist es oft schwer, sicherzustellen, dass Angebote Kultureller Bildung für Interessierte sichtbar werden und zugänglich sind. Ein Grund ist der teilweise rudimentäre Nahverkehr in der Region. „Wenn die Kinder nach der Schule nach Hause fahren, gibt es teilweise keine Chance noch mal woanders hinzufahren“, so Karin Peter. Dann sind sie wiederum abhängig von engagierten und fahrbereiten Erwachsenen. Im Kreisjugendring und im Stadtjugendring Greifswald weiß man, dass es für Jugendliche oft die erste Hürde ist, überhaupt zu einem Jugendzentrum, Kulturverein oder Kulturangebot zu kommen. „Kinder und Jugendliche sollten aber mindestens die Chance haben, in Kunst und Kultur reinschnuppern und etwas außerhalb des Kunstunterrichts kennenlernen zu können. Nur so können sie sich wirklich frei ausprobieren“, sagt Tino Höfert. Hier kann mehr Raum entstehen, in dem sie die eigenen Talente entdecken und kreativ werden können. „Vielleicht muss man auch dafür sorgen, dass Kulturträger mobiler werden können“, stellt Tino Höfert als These auf. Im Landkreis Vorpommern-Greifswald ist man zwar für die Schülerbeförderung zuständig, aber die finanziellen und verwaltungstechnischen Bedingungen sind von vielfältigsten Faktoren abhängig und dadurch entstehende Hürden hoch, um über das Notwendige – morgens hin, am Nachmittag zurück – hinaus zu wirken.

Man kann noch so einen coolen Instagram-Auftritt haben. Aber die ersten Anlaufstationen für die Kinder und Jugendlichen sind nun mal vor Ort.

Tino Höfert

Im Netzwerk zum Bedeutungsgewinn

Tino Höferts konkretes Anliegen ist es, Jugend- und Kulturpolitik zu stärken: „Zur Netzwerkarbeit gehört auch immer, dass man der Politik gegenüber aufzeigen kann, warum der eigene Bereich wichtig ist.“ Also hat die Projektgruppe aus dem K²-Projekt kulturpolitische Wahlprüfsteine im Vorfeld der Kommunalwahlen entwickelt. Vertreter*innen der Politik wurden gebeten, Stellung zu den Themen der Kulturakteure zu nehmen. Dass er von der Kreisverwaltung zur Projektgruppe von K² hinzugezogen wurde, versteht der Koordinator als Zeichen dafür, die jugendpolitische Arbeit im Landkreis stärken zu wollen. Durch die ersten Wahlen zum Kinder- und Jugendbeirat hat er in Greifswald mit Kinder- und Jugendbeteiligung bereits Erfahrung gemacht. „Im Landkreis muss ebenfalls ein Modell zur Beteiligung gefunden werde. Da braucht es mehr als einen Flyer, auf dem steht: Hier könnt ihr mitreden.“

Multiplikator*innen vor Ort und die Beziehungsarbeit zu Netzwerkpartnern wie Kulturvereinen und Jugendarbeit in den einzelnen Dörfern und Ortschaften seien unerlässlich. Aufgrund der Weitläufigkeit des Landkreises aber auch herausfordernd. „Man kann noch so einen coolen Instagram-Auftritt haben“, so Tino Höfert, „aber die ersten Anlaufstationen für die Kinder und Jugendlichen sind nun mal vor Ort.“ Auch im Landratsamt beschäftigt man sich mit dieser regionalen Herausforderung. Im Rahmen des Projekts „TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel“ der Kulturstiftung des Bundes wird ein Konzept ausgearbeitet, das ortsspezifische Kulturbüros und Kulturberatungsstellen vorsieht. Außerdem besteht die Idee für ein mobiles Kulturzelt. „Ein Zelt, das durch die Gegend tourt und in das Angebote durch beispielsweise Tanz- oder Theatergruppen direkt reingebracht werden können“, so beschreibt es Karin Peter.

Noch ist in Vorpommern-Greifswald vieles am Anfang. Aber die Idee, Bildungslandschaft v. a. über direkte Netzwerk- und Beziehungsarbeit der Kulturakteure zu denken, um in diesem großen Gebiet einen möglichst direkten Zugang für Kinder und Jugendliche zu Kultureller Bildung zu schaffen, scheint eine fruchtbare Grundlage.

Text: Maxi Böhme

Der Text ist erstveröffentlicht in der Arbeitshilfe „Bildungslandschaften. Perspektive Kinder- und Jugendarbeit“ der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (2019):

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Zitiervorschlag

BKJ: Jugendprojekte, Schulentwicklung, Kulturvernetzung: Wirkungen einer Bildungslandschaft im ländlichen Raum
https://www.bkj.de/bildungslandschaften-und-kultur/wissensbasis/beitrag/jugendprojekte-schulentwicklung-kulturvernetzung-wirkungen-einer-bildungslandschaft-im-laendlichen/
Remscheid und Berlin, .

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    Typo: 367

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